Stellen Sie sich vor, Ihr Auto hätte eine eingebaute Stimme, die Sie sanft ermahnt, das Tempo zu drosseln, sobald Sie zu schnell fahren – willkommen in der Realität des Fahrens ab Juli 2024 in der EU. Die „Intelligent Speed Assistance“ (ISA) verspricht, Unfälle zu reduzieren und Leben zu retten, aber zu welchem Preis für das Fahrerlebnis? In diesem Artikel untersuchen wir, ob ISA eine revolutionäre Sicherheitsmaßnahme oder ein überflüssiger Eingriff in die Freiheit des Fahrens ist.
Gemäß EU-Verordnung 2021/1958 wird ab Juli 2024 jedes neu zugelassene Fahrzeug in der EU mit dieser Technik ausgestattet sein. Die Intention ist klar: die Erhöhung der Verkehrssicherheit. Doch bringt die Umsetzung dieser Vorgabe auch die gewünschten Ergebnisse, oder steht sie dem Fahrvergnügen im Weg?
Kern des ISA-Systems
Inhaltsverzeichnis
Das ISA-System ist ein aktives Sicherheitsfeature, das Fahrer mittels akustischer Signale darauf hinweist, wenn sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten. Die dahinterstehende Idee ist simpel – durch die kontinuierliche Überwachung und das sofortige Feedback soll ein Anreiz geschaffen werden, sich an die vorgegebenen Limits zu halten, was die Zahl der Unfälle und Geschwindigkeitsübertretungen reduzieren könnte. Für den typischen deutschen Vielfahrer, der es gewohnt ist, sich auf der Autobahn frei zu entfalten, könnte dies zunächst wie ein unerwünschter Beifahrer klingen, der ständig auf die Geschwindigkeit achtet.
Was beinhaltet die EU-Verordnung 2021/1958?
Die neue EU-Verordnung 2021/1958 schreibt vor, dass Ihr Auto jetzt nicht nur Augen auf der Straße hat, sondern auch ständig die Verkehrsregeln im Blick behält. Es wird Sie sofort darauf hinweisen, wenn Sie zu schnell fahren – mit einem Warnton, einer Vibration oder einem Nachdruck im Gaspedal. Es ist so, als hätte man einen ständigen Mahner an Bord, der sicherstellen soll, dass man immer im Rahmen der Geschwindigkeitsbegrenzungen bleibt.
Die Idee dahinter klingt zunächst vernünftig: Eine Kamera, die wie ein Adlerauge Verkehrsschilder erfasst, gepaart mit einer Landkarte, die weiß, wo und wie schnell man fahren darf.
Für jemanden, der lange Strecken zurücklegt und die Dynamik des deutschen Straßenverkehrs kennt, könnte diese Technologie als Einmischung empfunden werden. Sie könnte als eine Art ‚Gängelband‘ gesehen werden, das die Freiheit einschränkt, die man beim Fahren empfindet, insbesondere auf den unbegrenzten Abschnitten der Autobahn.
Stellen Sie sich vor, Sie fahren los, die Sonne scheint, das Radio spielt Ihren Lieblingssong, und dann – piep, piep, piep – schon zieht die ISA die Spaßbremse, weil Sie laut ihr zu schnell sind.
Aber das ist noch nicht alles. Das System ist nur so schlau wie seine Daten, und wenn das Kartenmaterial nicht aktuell ist oder die Kamera ein Schild falsch liest – was durchaus passiert –, dann piept es fröhlich weiter, auch wenn Sie sich an die Regeln halten. Die Technologie scheint also manchmal mehr wie ein eifriger Fahranfänger, der die Schilder misstrauisch beäugt und auf Nummer sicher gehen will.
Die Absicht hinter dieser Verordnung ist zwar lobenswert – die Sicherheit auf den Straßen zu erhöhen und Leben zu retten –, aber sie könnte bei Vielfahrern, die Wert auf das Fahrerlebnis und die persönliche Kontrolle legen, auf Widerstand stoßen. Es wird eine Herausforderung sein, diese Technologie so zu gestalten, dass sie nicht als Bevormundung wahrgenommen wird, sondern als ein intelligentes Werkzeug, das die Fahrt sicherer macht, ohne das Vergnügen des freien Fahrens zu dämpfen.
Widerstand gegen die Technologie
Obwohl die Sicherheitsvorteile auf der Hand liegen, regt sich bei vielen Autofahrern aus den zuvor genannten Gründen Widerstand. Die Hauptkritikpunkte sind die als penetrant empfundenen Warntöne und die fehlende Toleranzgrenze. Hinzu kommt, dass die Technologie bei jedem Start des Fahrzeugs erneut deaktiviert werden muss, was als umständlich empfunden wird. Dieser „Bevormundungscharakter“ könnte das Fahrerlebnis negativ beeinflussen.
Ein weiteres Problem stellt die Aktualisierung des Kartenmaterials dar. Mit Verzögerungen von bis zu eineinhalb Jahren zwischen realen Verkehrsänderungen und ihrer digitalen Erfassung bleibt die Technologie oft hinter der Realität zurück. Dies führt zu Fehlwarnungen, die das Vertrauen in ISA untergraben. Der Verein EuroNCAP (The European New Car Assessment Programme), die für die Bewertung der Fahrzeugsicherheit zuständige Organisation, hat zwar auf diese Herausforderung reagiert, indem Zusatzpunkte für Fahrzeuge vergeben werden, die ihr Kartenmaterial vierteljährlich aktualisieren. Dies zeigt, dass Fortschritte möglich sind, aber auch, dass eine regelmäßige Aktualisierung für die Mehrheit der Fahrzeuge noch keine Realität ist.
Die Automobilindustrie steht somit vor der Herausforderung, die ISA-Systeme zu perfektionieren, um die Akzeptanz unter den Fahrern zu steigern, denn Beispiele wie der Hyundai Ioniq 6 zeigen, dass die Verkehrszeichenerkennung, ein zentraler Bestandteil von ISA, noch nicht ausgereift ist. Häufige und unerwartete Warnsignale können das Fahrerlebnis beeinträchtigen und führen dazu, dass Fahrer das System lieber abschalten, als sich mit den wiederholten Unterbrechungen abzufinden.
Technologische Differenzen und Interpretationsspielraum bei verschiedenen Automarken
Die EU-Verordnung lässt jedoch Interpretationsspielraum in der Umsetzung von ISA, was zu unterschiedlichen Herangehensweisen führt. Während einige Hersteller wie Hyundai eine strenge Auslegung bevorzugen, nutzen andere wie Mercedes diesen Spielraum, um die Belästigung der Fahrer zu minimieren und dabei trotzdem die Vorschriften zu erfüllen. Mercedes-Fahrzeuge warnen beispielsweise erst bei einer höheren Geschwindigkeitsüberschreitung und ermöglichen eine einfachere Deaktivierung der akustischen Warnungen. Dies zeigt, dass ein Mittelweg zwischen strikter Regelbefolgung und Benutzerakzeptanz gefunden werden kann.
Mercedes hat erkannt, dass ein zu sensibles ISA-System, das bei der geringsten Geschwindigkeitsüberschreitung Alarm schlägt, schnell zur Frustration führen kann. Daher haben sie ihre Systeme so konfiguriert, dass erst ab einer Überschreitung von drei Prozent eine Warnung erfolgt. Bei einem Limit von 100 km/h bedeutet dies, dass erst ab 103 km/h gewarnt wird. Dieser kleine Toleranzbereich mag marginal erscheinen, aber für den erfahrenen Fahrer macht er einen spürbaren Unterschied in Bezug auf Fahrkomfort und Autonomie.
Eine weitere Nuance in der Mercedes-Version von ISA ist die Verzögerung, bevor eine akustische Warnung ausgelöst wird. Dies gibt dem Fahrer die Möglichkeit, selbst zu reagieren und die Geschwindigkeit anzupassen, bevor das System eingreift. Es ist ein subtiler, aber wirkungsvoller Weg, um das System weniger aufdringlich und mehr als unterstützendes Tool zu gestalten.
Darüber hinaus hat Mercedes das Abschalten der akustischen Warnung vereinfacht. Ein langes Drücken der Mute-Taste im Lenkrad genügt, und schon schweigt der elektronische Beifahrer. Diese Benutzerfreundlichkeit steht im starken Kontrast zu anderen Systemen, bei denen das Abschalten der Warnungen eine umständliche Prozedur darstellt.
Welche Warnmechanismen sind bei Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgeschrieben?
Die Intelligent Speed Assistance (ISA) bietet verschiedene Arten von Warnmechanismen, um Fahrer über Geschwindigkeitsüberschreitungen zu informieren. Jeder dieser Mechanismen hat seine eigenen Vorzüge und kann in verschiedenen Fahrsituationen sinnvoll eingesetzt werden.
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Kaskadierende akustische Warnung:
- Dies ist die am weitesten verbreitete Form der Warnung. Hierbei erhält der Fahrer ein akustisches Signal, wie zum Beispiel einen Piepton, wenn das Fahrzeug die Geschwindigkeitsbegrenzung überschreitet.
- Die Effektivität liegt in der unmittelbaren Aufmerksamkeit, die solche Töne erzeugen. Sie sind besonders nützlich in Situationen, in denen der Fahrer möglicherweise abgelenkt ist oder die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht bemerkt hat.
- Allerdings kann dieser Ansatz als aufdringlich empfunden werden, besonders wenn er zu sensibel eingestellt ist und bei geringfügigen Überschreitungen aktiv wird.
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Kaskadierende Vibrationswarnung:
- Hierbei wird eine spürbare Vibration als Warnsignal genutzt. Diese kann entweder im Lenkrad oder im Sitz des Fahrzeugs integriert sein.
- Vibrationswarnungen sind diskreter als akustische Signale und können eine gute Alternative für Fahrer sein, die akustische Warnungen als störend empfinden.
- Sie sind auch hilfreich in lauten Umgebungen, wo akustische Warnungen möglicherweise nicht gehört werden.
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Haptisches Feedback durch das Beschleunigungspedal:
- Bei dieser Methode spürt der Fahrer einen Widerstand im Gaspedal, wenn die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten wird.
- Dieses direkte Feedback am Kontrollpunkt des Fahrzeugs – dem Gaspedal – kann sehr effektiv sein, da es den Fahrer unmittelbar bei der Ursache der Übertretung anspricht.
- Es ist eine intuitive und nicht-invasive Methode, die den Fahrer dazu anregt, seine Geschwindigkeit anzupassen, ohne dabei zu sehr abzulenken.
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Geschwindigkeitsregelfunktion:
- Hierbei greift das System aktiv in die Geschwindigkeitskontrolle des Fahrzeugs ein, um die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung zu gewährleisten.
- Diese Methode kann besonders in kritischen Sicherheitssituationen nützlich sein, beispielsweise in der Nähe von Schulen oder in stark frequentierten städtischen Gebieten.
- Allerdings kann sie auch als die invasivste Methode wahrgenommen werden, da sie direkt in die Fahrkontrolle eingreift.
Welcher dieser Ansätze spricht Sie am meisten an und warum? Würden Sie eine Kombination dieser Methoden bevorzugen, oder gibt es eine, die Sie als besonders störend oder unangenehm empfinden?
Unsere Meinung zu ISA
Die Automobilindustrie steht vor der Herausforderung, ISA-Systeme so zu gestalten, dass sie sowohl den Sicherheitsansprüchen als auch den Bedürfnissen der Fahrer gerecht werden. Es müssen Lösungen gefunden werden, die die Verlässlichkeit von ISA erhöhen, ohne die Fahrer zu bevormunden.
Eine mögliche Richtung könnte die Verbesserung der Kamera-Technologie sein, eine andere das Anbieten unterschiedlicher Arten von Warnmechanismen, die weniger invasive Eingriffe in das Fahrerlebnis darstellen. Die Technologie muss sich weiterentwickeln, um zuverlässige und nutzerfreundliche Lösungen zu bieten. Nur durch solche Innovationen und Anpassungen wird die ISA nicht nur eine gesetzliche Vorgabe sein, sondern auch ein akzeptiertes und geschätztes Element des modernen Autofahrens.
Die nächsten Jahre werden zeigen, ob und wie die Industrie diese Herausforderung meistert und ob ISA-Systeme den Fahrern nicht nur als Vorschrift, sondern als wertvolles Instrument im Alltag dienen werden.
Hier noch ein englischsprachiges Video, dass die Vorteile von ISA zeigen soll: